Donnerstag, 18. Oktober 2012

Spontan sein


Ich beschließe spontan zu sein. Autoschlüssel in die linke, Handy in die rechte Hosentasche und die Papiere links hinten in die Gesäßtasche. Ich entscheide mich dazu die Laufschuhe anzuziehen. Gerade als ich mir die Schuhe binden will klingelt es an der Tür. Ich mache auf und sehe meinen Zweifel vor mir stehen. Den hatte ich kleiner in Erinnerung. Er will wissen was ich vorhabe. Weiß nicht, sag ich. Einfach irgendwo hinfahren.
Der Zweifel schüttelt langsam den Kopf, als wäre ich ein Kind dem er schon etliche Male gesagt hat was es tun und lassen soll, als hätte ich ihn mal wieder enttäuscht, als wäre dieses eine Mal jenes welches das Fass zum überlaufen bringt. Zum Glück habe ich die Laufschuhe selber an.

Doch gerade als ich den Zweifel überzeugen will dass er keinen Grund hat hier zu sein reißt er sich sein Gesicht vom Leib und mein Portemonnaie steht vor mir. Noch bevor ich reagieren kann schlägt es mir mit voller Wucht in die Magengrube. Ich lehne mich keuchend nach vorne, und sehe so den Schlag in meinen Nacken nicht kommen.

Ich komme langsam wieder zu mir. Grelles Licht blendet mich. Ich will husten, aber ich habe irgendetwas im Mund und ich schaffe nur ein dumpfes Räuspern. Leider ist es stark genug um mich meine Magenschmerzen spüren zu lassen. Ich versuche das Licht zu ignorieren um zu erkennen wo ich bin. Dabei stelle ich fest dass ich an einen Stuhl gefesselt bin. Na toll. Nach einer Weile erkenne ich dass ich in meiner eigenen Garage sitze. Sehr lustig. Ich versuche mich irgendwie zu bewegen, doch die Fesseln sind zu stark. Dabei kratzt der Stuhl über den Boden und erzeugt ein Echo welches so nicht da sein dürfte. Scheinbar hat mein Portemonnaie die Garage leergeräumt. Ein leichter Anflug von Panik steigt in mir hoch. Doch bevor ich mich um den Verstand denken kann geht die Tür auf und das Portemonnaie kommt herein. Es nimmt mir den Knebel aus dem Mund. Immerhin. Ich warte darauf dass es irgendetwas sagt, doch es schweigt.

Auf einmal zaubert es einen Benzinkanister hervor. Super Rotz 95. Danke für die Info, versuche ich zu scherzen. Doch es ignoriert mich und tränkt den Knebel in etwas Benzin. Ich glaube eine meiner Socken erkennen zu können und bemerke dass ich barfuß bin. Ok, was zur Hömme moll daff mer en? Ich komme nicht mehr dazu meinen Satz zu beenden. Das Portemonnaie hat die Socke tief in meinen Rachen gepresst. Benzingeruch steigt in meine Nase, einzelne Tropfen rutschen meine Speiseröhre hinunter. Schlucken will mir nicht so recht gelingen. Scheinbar zufrieden dreht sich das Portemonnaie langsam um und verlässt die Garage.

Ich warte noch eine Weile, und als ich mir sicher bin dass es nicht wiederkommt versuche ich abermals mich zu befreien. Ich probiere einen filmischen Ansatz aus und wippe von Seite zu Seite. Ich erlange etwas Momentum und lege all meine Kraft in den entscheidenden Schwung. Nicht recht glauben wollend dass es tatsächlich geklappt falle ich scheinbar in Zeitlupe. Da bemerke ich dass der alte Eiskunstläufer in mir eine Drehung in die Wippe eingebaut hat und ich elegant nach vorne Kippe. Ich will mich noch über die Abzüge in der B-Note beschweren, doch da hat der Boden mich schon in Empfang genommen. Immerhin habe ich mir mein Genick nicht gebrochen. Dafür hänge ich nun wie eine Raupe inmitten ihrer Bewegung in meiner Garage und ein neues Garagendrecksbodentattoo ziert mein Gesicht.

Ich lasse die Situation kurz auf mich wirken und beschließe einen weiteren Wippversuch. Meine Nase hat am meisten davon, doch ich schaffe es auf meiner linken Seite zu landen. Natürlich nicht ohne mir dabei den linken Arm einzuklemmen. Ich versuche mich durch einzelnes Anspannen verschiedener Muskelgruppen zu bewegen, doch jeder Versuch scheitert. Aus der Raupe ist ein Käfer auf dem Rücken geschlüpft. Ein Hoch auf die Evolution. Ich überlege ob ich vielleicht doch religiös werden soll, doch bevor ich anfangen zu beten geht die Garagentür auf.

Das Portemonnaie schüttelt nur den Kopf als es meine neue Position sieht. Es beugt sich über meinen Kopf und flüstert mir in mein Ohr. Ich sei erbärmlich. Wenigstens habe ich mir noch nicht in meine Hose gemacht. Es steht auf und will wissen wie Teuer Sprit im Moment ist. Ich will mit Schultern zucken, doch meine Lage erlaubt mir nichts dergleichen. Meiff nift. Ich gebe mir Mühe deutlich zu sprechen. Soso, der feine Herr weiß es nicht! Dann lasst es mich euch sagen! Einen Euro und Einundsiebzig Cent, ding ding ding! Wir haben einen Gewinner! And now guess what. GUESS. WHAT! schreit es mich an. Meiff nift.

Es tritt einen Schritt zurück und öffnet sich. Stolz präsentiert es mir 171 Centstücke. Noch bevor ich mich fragen kann was es damit vor hat steht es über mir und lässt eine Münze nach der anderen in mein Gesicht fallen. Anfänglich nehme ich es stoisch hin, doch nach 60 Münzen wird es mir zu viel, und ich versuche durch eine Drehung meines Kopfes auszuweichen. Doofe Idee. Das Portemonnaie schmeißt die restlichen Kupferstücke mit aller Kraft in mein Gesicht. SIEHST DU DAS!? schreit es und drückt mir die letzte Münze in mein Auge. Der Käfer am Boden erhält ein Monokel. Pluspunkte in der B-Note. Die Münze rollt aus meinem Auge und etwas weiches streift mich. Scheinbar ist das Portemonnaie vollkommen wahnsinnig geworden, es hat sich komplett geöffnet und schmeißt sämtliche Geldscheine durch den Raum die in ihm waren. Verrat, schreien sie, du hast versprochen uns zu beschützen!

Stockholmsyndrom sagt es, und verlässt die Garage. Diesmal ist sofort wieder zurück. Es hat noch mehr Benzinkanister dabei und verteilt deren Inhalt lachend im Raum. Als nur noch einer vorhanden ist duscht es darin. Doch anstatt danach nach einem Handtuch zu fragen flüstert es mir ins Ohr. Nie wieder Vergnügungsfahrten. Ich will nicken doch es ist zu spät. Das Portemonnaie zündet sich eine Zigarette an und geht in Flammen auf. Kurz darauf brennt meine ganze Garage.

Ich wache auf. Scheinbar bin ich im Wohnzimmer eingeschlafen. Es riecht so als würden die Nachbarn grillen. Ich beschließe spontan zu sein, ziehe meine Laufschuhe an, Schlüssel in die Tasche und gehe spazieren.

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