Freitag, 12. Oktober 2012

Rauchen


Der Zug fuhr jede Stunde ein. Man hörte ihn schon von Weitem, irgendwann bog er schließlich um die Kurve und kam unter viel zu viel Lärm zum stehen. Dabei schaukelte er hin und her als würde er eigentlich lieber zu Hause sein, und nicht auf der Party zu der er überredet wurde, auf die er nicht gehen wollte weil er niemanden kennt und noch so viel zu tun hat. Aber nun steht er in der Ecke und bewegt seine Füße zu der Musik. Musik die er nicht mag, und auch nur erträgt weil er ein Bier nach dem anderen öffnet.

Die Zugtüren schließen sich, das langsame Rattern des Zuges wird immer schneller und lauter, und schließlich ist es vorbei. Der Zug verschwindet, das einzige Zeichen von Leben, ein schwacher, kaum festzustellender Puls, und das Dorf versinkt wieder im Tiefschlaf.
Doch etwas war anders. Er. Er ist hier ausgestiegen.

Er überquert die Straße und geht in das Café gegenüber. „Raucher willkommen“ heißt es an der Tür. >Raucher wird gehen< denkt er und stößt die Tür auf. Er geht zielstrebig in eine Ecke wo er den ganzen Raum überblicken kann und setzt sich. Er bestellt ein Stück Käsekuchen und eine Apfelschorle. Während er auf seine Bestellung wartet fischt er sein Smartphone aus seiner Jackentasche und liest die letzte eMail. >Rauchen kann tödlich sein. Altenhundem.<

Rauchen kann tödlich sein. Seit Wochen freute er sich auf den Ausflug. Eine Abwechslung zum Stadtleben würde ihm guttun, die Sinne schärfen und seine Kräfte erneuern.
Eine ältere Dame erhebt sich und verlässt das Café. Er bezahlt, wirft etwas Trinkgeld in die Dose dafür und folgt ihr. Sie hat einen roten Mantel an und muss einen Gehstock benutzen. Er entschließt sich ihr etwas Vorsprung zu geben und zündet sich eine Zigarette an. Schlendern fiel ihm schon immer schwer, aber zum Glück befand er sich in einer Fußgängerzone und konnte so in den Schaufenstern etwas Zeit schinden. Doch bevor er über die Zeit nachdenken kann sieht er wie die Dame sich einer Ampel nähert. Er lässt von dem Laden ab und verkürzt den Abstand. Die Ampel springt auf Grün um. Weit und Breit ist nichts zu hören. Als die Dame die Mitte der Straße erreicht hat er sie eingeholt. >Entschuldigen Sie<. Er redet nicht zu laut, aber erhebt seine Stimme doch so weit dass er sich sicher ist dass die Dame ihn hört. Sie macht keine Anstalten sich umzudrehen und will weitergehen.

 >Widerspenstige Schlampe< denkt er und tritt ihr den Gehstock aus der Hand. Noch bevor ihr klar wird dass sie gerade ihre Stütze verloren hat knickt sie weg und wird vom Straßenboden in Empfang genommen. Die Überraschung nimmt ihr die Stimme und sie reißt nur ihre Augen und ihren Mund auf. Er ist ihrer Bewegung gefolgt, kniet neben ihr und steckt ihr die Zigarette in den Mund. Dabei gibt er ihr keine Möglichkeit zu schreien klebt ihren Mund mit Klebeband zu. Sie begreift mittlerweile was gerade geschehen ist, aber sie versteht es nicht. Sie versucht zu schreien, aber es gelingt ihr nicht. Ihre Nase saugt panisch nach Luft. Plötzlich bemerkt sie etwas feuchtes in der Nase. Er tropft ihr Sekundenkleber in beide Löcher und drückt die Nase zu. Das hatte er ausprobieren wollen seit er es in einem Buch gelesen hatte. Sie versucht immer wieder ihren Mund zu befreien, doch er schlägt ihr die Hände weg. Als er es schließlich zulässt ist sie schon zu schwach und die Bewusstlosigkeit abgedriftet. 

Er steht auf und begibt sich zum Bahnhof. Er zündet sich eine weitere Zigarette an. Von weitem hört er den Zug. Als er einfährt, nimmt er einen letzten und wirft die Zigarette weg. Er setzt sich hin und beantwortet die Email. >Ich genieße das Leben in vollen Zügen<.

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