Du bist zu früh. Du bist immer zu
früh. „Lieber 30 Minuten zu früh, als 5 Minuten zu spät“ sagst
du immer. Manchmal fragst du dich ob du auch so pünktlich auf die
Welt gekommen bist und nimmst dir vor deine Mutter das nächste Mal
wenn du sie siehst danach zu fragen. Aber wie so vieles hast du es
bis dahin längst wieder vergessen. Als würdest du in deiner Wohnung
in einen anderen Raum gehen und nicht mehr wissen warum du in den
Raum gegangen bist. Du nimmst dir vor wieder mehr Memory zu spielen.
Die Bedienung war da. Du hast dich in
Gedanken auf einen guten Platz gesetzt, die Wand hinter dir, die
anderen Menschen im Aus und das Fenster im Blick. Du bestellst ein
Bier, du bestellst am Anfang immer ein Bier, aber du beschließt erst
etwas zu trinken bis sie da ist. Sie. Sie hat noch mehr als genug
Zeit um pünktlich zu sein. Ob sie pünktlich ist weißt du nicht.
Sie hatte dich angesprochen.
Eigentlich wolltest du sie ansprechen.
Hast abgewogen ob du sie überhaupt ansprechen sollst, ob sie
überhaupt reden will. Du deutest ihre Blicke so als hätte sie
nichts dagegen, und legst dir deine Wörter zurecht. Dabei vermeidest
du sie anzusehen. Schließlich bist du zufrieden mit dem was du von
dir geben wirst und schaust sie an. Sie sieht gut aus. Doch bevor du
sie fragen kannst ob sie reden möchte redet sie. Mit dir. Nachher
weißt du nicht mehr worüber, aber du bist froh. Vermutlich schafft
sie es mit mehr Menschen zu reden als du, aber das ist dir Recht. Du
magst keine Menschen. Aber sie magst du. Irgendwie schaffst du es am
Ende ihre Handynummer zu bekommen. An ihren Händen war kein Ring,
also hast du sie nach einem Date gefragt. Sie ist anders als die
anderen, du willst sie näher kennenlernen.
Du warst schon sehr lange auf keinem
Date mehr. Weil du neu in dem Ort bist und den Laden nicht kennst
gehst du früher los als eigentlich nötig. Lieber 30 Minuten zu
früh, als 5 Minuten zu spät. Du hast deine Anzugsschuhe und dein
Lieblingstshirt an. Bisher ist es bei Frauen immer gut angekommen.
Denkst du jedenfalls. Die Kellnerin bringt dir dein Bier und macht
einen Strich auf deinen Bierdeckel. Du ignorierst sie. Du musst dein
Date planen. Wenn sie ankommt wirst du aufstehen und sie umarmen,
vielleicht mehr lächeln als du solltest und ihr aus der Jacke
helfen. Wenn sie fragt wie lange du schon hier bist sitzt du erst
seit ein paar Minuten hier, du hast extra noch nichts getrunken damit
du mit ihr anstoßen kannst. Dabei wirst du ihr in die Augen gucken
und vielleicht mehr lächeln als du solltest. Du nimmst dir vor ab
sofort auf dein Lächeln zu achten. Aber du vergisst es wieder. Du
solltest mehr Memory spielen. Wenn ihr beide dann sitzt wirst du weit
ausholen um ihr näher zu kommen. Sie ist nur ein Jahr jünger als
du. Du freust dich, ohne dabei zu viel zu lächeln.
Sie hat noch 10 Minuten wenn sie
pünktlich ist. Du überlegst ob du doch einen Schluck trinken
sollst. Aber du entscheidest dich dagegen. Du denkst daran wie deine
Mutter dir immer erzählt hat dass sie früher ewig an ihrem Getränk
genippt hat, da man ohne eines herausgeworfen wurde. Deine Mutter
konnte sich früher nicht viele Getränke leisten. Du denkst kurz
darüber nach dass Frauen es heutzutage viel einfacher haben und sich
alles ausgeben lassen können. Es gibt ja genug Männer mit Geld. Du
bist nicht besonders reich, aber du nimmst dir vor den Abend heute
für euch beide zu bezahlen. Du überlegst was sie wohl trinken wird
und studierst die Speisekarte. Dabei denkst du darüber nach wie wohl
jemand aussieht der alleine vor einem vollen Bierglas sitzt und
überlegt was er als nächstes bestellen soll. „Ich habe kein
Problem mit Alkohol. Nur ohne.“
In deiner Hosentasche vibriert es. Du
zuckst kaum merkbar, aber gewinnst sofort wieder Kontrolle über
deinen Körper und bleibst erst einmal ruhig sitzen. Langsam legst du
die Speisekarte wieder in ihre Halterung. Deine Gedanken rasen. Was
wenn sie absagt? Bestimmt kommt sie nur etwas zu spät weil sie ihren
Bus verpasst hat. Oder ist es deine Mutter die irgendetwas wissen
will? Eventuell ist es ja einer deiner Freunde die dich am Rechner
vermissen. Dir fällt ein dass ihr eigentlich heute zusammen zocken
wolltet. Du schämst dich kurz und nimmst dir vor wieder mehr Memory
zu spielen. Ob sie wohl auch so viel vor dem PC sitzt wie du? Oh
Gott, was wenn sie wirklich abgesagt hat? Deine Hand fährt langsam
in deine Hosentasche und sucht nach deinem Handy. Die Taschen der
Jeans sind dir eigentlich zu klein, aber die andere ist in der
Wäsche. Schlussendlich hältst du dein Handy in deinen Händen.
„Liebe o2 Kunden!“. Du bist kurz wütend, aber die Erleichterung
legt sich langsam über die Wut. Du lächelst etwas mehr als du
solltest. Du steckst dein Handy weg. Du willst wissen wie viel Uhr es
ist und holst dein Handy wieder hervor.
Mittlerweile ist sie 2 Minuten zu spät.
Du hättest doch einen Schluck trinken sollen. Vor allem nach dem
Schock der SMS. Du überlegst wie aufdringlich eine SMS wäre in der
du sie fragst ob alles ok ist. Ob sie noch kommt. Sie muss einfach
kommen denkst du. Schließlich magst du sie. Wie soll man weiterhin
an die Menschheit glauben können wenn man nicht die Menschen mögen
kann die man mag? Du verwirfst die Gedanken. In der Kneipe läuft
„are you gonna be my girl“. Dir fällt die Ironie nicht auf, weil
du in deinem Geiste Gitarre spielst. Du hast sogar eine zu Hause
stehen. Aber eine akustische. Die du nicht spielen kannst. Als du
zuletzt motiviert warst ist eine Seite gerissen und du vergisst immer
dir neue zu kaufen. Du solltest mehr Memory spielen.
10 Minuten. Du hast keine Lust nervös
zu werden. Nicht noch nervöser. Aber du trinkst einen Schluck von
deinem Bier um dich zu beruhigen. Du hättest es fast sofort wieder
ausgespuckt. Die Höflichkeit ist mit der Kohlensäure tanzen
gegangen, und nun sind beide verschwunden. Du leerst das Gesöff mit
wenigen Schlucken. Sie wird den zweiten Strich auf dem Deckel gar
nicht bemerken. Der Plan ist perfekt. Du hoffst dass die Kellnerin
auch so denkt und schnell bemerkt wie leer dein Glas ist. Als sie
kommt bestellst du zwei Bier. Damit sie auch eins hat wenn sie
ankommt, und ihr direkt anstoßen könnt. Als die beiden Gläser vor
dir stehen klopft die Panik auf deine Schulter. Was wenn sie gar kein
Bier haben will? Du trinkst es schnell aus. Du lächelst etwas mehr
als du solltest, dein Plan ist wieder perfekt. Du hast das 2te Glas
vergessen. Du solltest mehr Memory spielen. Fieberhaft suchst du nach
einer Lösung das Glas loszuwerden. Du einigst dich darauf einfach
auf die Toilette zu gehen und das Glas dabei auf den Tresen zu
stellen. Aber was wenn sie in der Zeit den Laden betritt und dich
nicht findet? Der Gedanke sorgt dafür dass du sitzen bleibst. Du
schiebst das leere Glas zur Seite. Soll die Panik doch daraus
trinken. Doch als du zur Seite schaust siehst du nur deinen Drang auf
die Toilette zu gehen. Na toll. Du hörst auf zu denken, trinkst dein
dritte Bier auf ex, stellst beide Gläser auf den Tresen und gehst
auf die Toilette. Immerhin ist sie nicht der einzige Mensch der
unpünktlich sein kann, soll sie halt warten falls sie in der Zeit
kommt. Der Plan ist perfekt. Du lächelst. Memory.
Als du wieder auf deinem Platz sitzt
ist sie noch nicht da. Dein Trotz verbietet dir eine SMS zu
schreiben. Du bestellt noch zwei Bier. Damit ihr beide anstoßen
könnt. Der Plan ist perfekt. Du wartest.
Der Plan ist scheiße. Du leerst beide
Gläser, bezahlst, und gehst. Dein Trinkgeld ist etwas höher als es
sein sollte. Memory. Die Handynummer der Kellnerin auf der Rechnung
übersiehst du. Du gehst so schief wie dein Plan gegangen ist nach
Hause. Du hasst Menschen.
5 Tage später bekommst du eine SMS.
Man hätte sie angefahren, sie sei im Krankenhaus. Sie würde sich
über einen Besuch freuen.